Montag, 2. März 2020

Spruchbanderklärung: SV Waldhof Mannheim




Manchmal passieren Dinge, ohne dass man so wirklich mitbekommt, dass sie gerade passieren. Und auf einmal wird man vor ein Faktum gestellt, ohne den vorherigen Prozess überhaupt mitbekommen oder verfolgt zu haben. So geschehen mit der sogenannten „Besonderen Gebührenverordnung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen in dessen Zuständigkeitsbereich“ – kurz gesagt, der Gebührenordnung der Bundespolizei. Zu dieser haben wir uns beim vergangenen Heimspiel gegen Mannheim geäußert und wollen nun kurz den Hintergrund erläutern:
Die Gebührenordnung der Bundespolizei wurde letztes Jahr im Oktober von dem allseits beliebten Bundesinnenminister Horst Seehofer eingeführt und verfolgt das Ziel, die Kosten für sogenannte „vermeidbare Einsätze“ der Bundespolizei auf die jeweils betroffene Person umzulegen – durch eben eine jeweils festgelegte Gebühr. So soll z.B. ein Platzverweis 88,85€ kosten, eine erkennungsdienstliche Behandlung 59,90€ und eine Identitätsfeststellung ist mit 53,75€ sogar ein richtiges Schnäppchen. Inzwischen werden die ersten Zahlungsaufforderungen verschickt, wodurch das Thema auch jetzt erst publik wird – Chapeau Herr Seehofer, bisher sind Sie jeglichem Gegenwind aus dem Weg gegangen! 
Doch warum ist denn überhaupt mit Gegenwind zu rechnen? Was genau ist denn das problematische an einer solchen Gebührenordnung? Hat die Bundespolizei denn nicht das Recht, ihre Einsätze finanzieren zu lassen? 
Fangen wir mal mit der letzten Frage an: ja, natürlich müssen jegliche Einsätze der Bundespolizei finanziert werden. Aber das werden sie halt auch bereits – durch allgemeine Steuermittel. Wir alle zahlen bereits für die Bundespolizei und ihre Aufgabenbereiche, die auf der eigenen Homepage aufgezählt werden: Schutz der Landesgrenzen, Sicherheit bei der Bahn und an Bahnhöfen, Sicherheit beim Flugverkehr, Schutz von wichtigen Ämtern und Behörden. Außerdem heißt es auf der Website der Bundespolizei „Die beste Hilfe gegen Straftaten ist eine gute Vorbeugung, damit erst gar keine Straftaten passieren.“ – wodurch sich auch die Begründung für präventive Maßnahmen in sogenannten „Gefahrenlagen“ ergibt. Und wer nun solche „Gefahrenlagen“ vorsätzlich oder fahrlässig schafft, soll für den jeweilig folgenden Einsatz zur Kasse gebeten werden. Und an diesem Vorgehen gibt es eben eine Menge zu kritisieren: ich als Privatperson kann zur Kasse gebeten werden, ohne dass mir überhaupt eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit nachgewiesen wurde. Entscheidet die Bundespolizei sich dazu, an bzw. mit mir eine wie auch immer geartete Maßnahme durchführen zu wollen, so muss ich für diese finanziell geradestehen und beispielsweise dafür bezahlen, dass ich mich aufgrund eines vermeintlichen Fehlverhaltens auf einer Demonstration (was mir aber nicht durch einen Richterspruch o.ä. endgültig nachgewiesen ist) nicht mehr in einem bestimmten Stadtgebiet aufhalten darf. Die Bundespolizei hat also freie Hand darin, welche Maßnahmen sie für notwendig hält – danach machen sie allerdings die Hand auf und sacken das Geld von der jeweils betroffenen Person ein. Ob dann in einem folgenden Gerichtsverfahren meine Schuld festgestellt wird oder nicht, ist uninteressant – zahlen muss ich für den Einsatz der Bundespolizei so oder so. Eine Art Geldstrafe quasi, ohne dass bewiesen ist, dass ich aufgrund unseres Rechtssystems eine Strafe abzuleisten hätte. Die Bundespolizei setzt sich in diesem Fall also über unsere Gewaltenteilung hinaus und übernimmt als Exekutive auch direkt die Judikative, indem sie selbst eine Art Geldstrafe vor das eigentliche Strafsystem setzt. Dass versucht wird, dies als legitime Gebühren für „vermeidbare Einsätze“ zu verkaufen, ist eine Frechheit. Jede Ordnungswidrigkeit und jede Straftat kann von Seiten der Bundespolizei als „vermeidbar“ angesehen werden, jede Maßnahme der Bundespolizei kann diese als von ihrer Seite „notwendig“ verkaufen und jede „Gefahrenlage“ kann ihren Ursprung in einer x-beliebigen Person finden, die dann neben dem eigentlichen Strafprozess auch noch von ungeprüften Geldstrafen betroffen ist. 
Dass diese komplexe Thematik auch uns als Fußballfans betreffen kann bzw. wird, dürfte auch kein großes Geheimnis sein. So sind auch wir z.B. auf Auswärtsfahrten mit dem Zug mit der Bundespolizei konfrontiert und der 1. Bundesvorsitzende der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, frohlockte bereits „Ich denke aber gerade an die in Zügen randalierenden Fußballfans, denen wir künftig Gebühren für den Einsatz der Polizeikräfte und unsere Auslagen zum Beispiel für das Ablöschen bengalischer Feuer usw. in Rechnung stellen können“. Im worst case-Szenario lässt sich also folgendes Bild zeichnen: die Bundespolizei scheint in irgendeiner Situation eine „Gefahrenlage“ zu erkennen, möchte diese abwenden, indem „präventive Maßnahmen“ durchgeführt werden – und bittet dann diejenigen zur Kasse, die (wahrscheinlich willkürlich) von diesen Maßnahmen betroffen waren. Den betroffenen Personen ist zu diesem Zeitpunkt keine Schuld nachzuweisen, der Rechtsstaat hat sich noch nicht mit dem Fall beschäftigt, sie sind lediglich Opfer einer willkürlichen Maßnahme der Bundespolizei geworden und müssen für diese blechen. Dass in dieser Gebührenordnung auch Dinge wie die Reinigung verunreinigter Uniformen oder die Reinigung verunreinigter Gewahrsamszellen benannt werden, ist schon fast wieder zum Lachen. Man wird also vielleicht unberechtigt aufgrund der Willkür einzelner Bundespolizisten in Gewahrsam genommen und soll dann dafür zahlen, dass die Zelle nicht mehr so blitzeblanke sauber wie vorher ist?!
Es ist also eindeutig, dass die Gebührenordnung der Bundespolizei elementar in bürgerliche Rechte und Freiheiten eingreift. Auf jeder Veranstaltung, die von der Bundespolizei begleitet wird, muss man nun also Angst haben, in einer Art und Weise aufzufallen, die den anwesenden Kräften der Bundespolizei dazu Anlass geben könnte, eine Maßnahme durchzuführen, die dann finanziell auf mich gewälzt wird. Dass die Bundespolizei hier freie Hand hat und auch vollkommen willkürlich Leute nun mit Geldstrafen konfrontieren kann, ist der Beweis für ein sehr ungesundes Verhältnis zwischen Exekutive und Judikative, welches wiederum Auswirkungen auf die bürgerlichen Rechte hat und diese massiv einschränkt. 

FÜR die Grundrechte und Gewaltenteilung – GEGEN die Gebührenordnung!