Sonntag, 3. November 2019

Spruchbanderklärung: Hoffenheim






Seit mittlerweile 11 Jahren spielt die TSG Hoffenheim nun schon in der ersten Liga. Der einstige neureiche Emporkömmling, dem in den ersten Spielzeiten noch so viel Hass und Ablehnung entgegengebracht wurde, hat sich mittlerweile – so traurig das auch klingt – zu einem etablierten Bundesligisten entwickelt und gegen Hoffenheim zu spielen, löst bei den sogenannten Traditionsvereinen deutlich weniger Empörung und Protest aus. Angesichts dessen, dass mit Red Bull in der Zwischenzeit ein „noch schlimmeres“ Konstrukt in die Bundesliga vorgestoßen ist und die Kommerzialisierung des Fußballs sowieso immer schneller voranschreitet, ist die TSG in der Bundesliga 2019 fast schon „normal“ geworden. Häufig irgendwo im belanglosen Mittelfeld, auch mal eine enttäuschende Saison mit Klassenerhalt erst über die Relegation, ab und zu ganz erfolgreich mit Qualifikation für den Europapokal, Hoffenheim gehört nach all den Jahren, das muss man zähneknirschend feststellen, zum Bundesliga-Alltag. Nichtsdestotrotz wollten wir uns bei unserem ersten Aufeinandertreffen klar positionieren und wollen – auch wenn die meisten Argumente schon ausgetauscht sein dürften – an dieser Stelle ein wenig ausholen. 

Als unser Gegner in der letzten Pokalrunde in die Bundesliga aufstieg, das war 2008, ist unser Spielverein gleichzeitig aus der höchsten Spielklasse abgestiegen. Allein das veranschaulicht ganz gut, wie lange das schon her ist. Bekanntlich sind wir seitdem nicht mehr ins Oberhaus zurückgekehrt und Hoffenheim seitdem nie abgestiegen, weswegen wir in all der Zeit einem Duell mit dem Verein aus dem Kraichgau glücklicherweise aus dem Weg gehen konnten. Leider glich die Auslosung der zweiten Pokalrunde dem berühmten Griff ins Klo und so müssen wir nun uns erstmals ernsthaft mit diesem überflüssigen Kackverein auseinandersetzen.

Wie die meisten wissen dürften, liegt der Grund, dass uns der 3.000-Seelen-Ort Hoffenheim überhaupt ein Begriff ist, allein in dem übermäßigen finanziellen Engagement einer Person. Seit der Gründung kurz nach dem Zweiten Weltkrieg spielte die TSG Hoffenheim über Jahrzehnte in den untersten Ligen und kam nichtmals über die Kreis-Ebene hinaus, war also auch lokal ein unbedeutender Verein, wie es ihn in Deutschland zu Tausenden gibt. In der Spielzeit 1988/89 spielte man erstmals in der Bezirksliga, stieg nach dieser einen Saison über die Relegation aber umgehend wieder ab. Der eigenen Darstellung nach beginnt hier der Startschuss des Durchmarsches: Dietmar Hopp, Mitbegründer des Softwarekonzerns SAP, Multimilliardär und überhaupt einer der reichsten Deutschen, wohnte der Niederlage im Relegationsspiel bei und entschloss sich die TSG Hoffenheim, bei der er einst in der Jugend spielte, fortan als Mäzen finanziell zu unterstützen. Innerhalb von zwölf Jahren bugsiert er sie mit dem nötigen Kleingeld von der Kreisliga A in die dritte Liga (damals Regionalliga) und schenkte 1999 dem Verein einfach eine 5.000 Zuschauer fassende Spielstätte, das Dietmar-Hopp-Stadion, benannt nach ihm selbst.

Dass es Dietmar Hopp besonders um seinen Heimatverein ginge und die TSG für ihn eine „Herzensangelegenheit“ sei, wie er vor ein paar Jahren bekundete, lässt sich für die Zeit Anfang der 2000er-Jahre, als sich Hoffenheim in der Regionalliga etablierte, nicht wirklich behaupten. Hopps schon früh vorgezeichneter Plan war es, seiner Heimatregion einen Bundesligaverein zu „bescheren“, wie dieser Verein heißen und wo genau er spielen sollte, war dabei zweitrangig. Er soll bereits zuvor überlegt gehabt haben, beim kriselnden und finanziell gebeutelten Waldhof einzusteigen, immerhin hätte er in Mannheim eine vernünftige Infrastruktur, ein bundesligataugliches Stadion und eine gewachsene Fangemeinde vorgefunden, die er sich anderswo noch mühsam hätte aufbauen müssen. Ein möglicher Einstieg scheiterte allerdings am Widerstand des damaligen Waldhof-Präsidenten. Um sein Projekt weiter voranzutreiben, wurde die Regionalliga-Mannschaft bereits 2005 in die „TSG Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH“ ausgegliedert und Hopp schlug öffentlich vor, Hoffenheim zusammen mit dem SV Sandhausen und Astoria Walldorf (zu dem Zeitpunkt vierte bzw. fünfte Liga) zu einem neuen Verein zu fusionieren, um die Kräfte der Rhein-Neckar-Region zu bündeln. Als Standort war dafür aus Imagegründen Heidelberg im Gespräch und Hopp ließ verlauten, dass „Vorschläge zur Namensnennung (…) gerne entgegengenommen“ werden. Auch die Pläne eines möglichen „FC Heidelberg 06“ zerschlugen sich, allen voran weil sich Sandhausen und Walldorf gegen eine Fusion entschieden und lieber selbstständig bleiben wollten.

Sportlich war Hoffenheim zu dem Zeitpunkt schon einige Schritte weiter. Nachdem ein Jahr zuvor der anvisierte Aufstieg in die 2. Bundesliga noch knapp verpasst wurde, gelang unter Ralf Rangnick 2007 der Sprung in den Profifußball und in der Saison 2007/08 der Durchmarsch in die erste Liga. Dieser wurde vor allem dadurch ermöglicht, dass Spieler wie Carlos Eduardo, Chinedu Obasi oder Demba Ba für etwa 18 Millionen Euro verpflichtetet wurden - weitaus mehr, als alle anderen Zweitligisten zusammen für ihre Transfers ausgaben. Wurde Hoffenheim in der öffentlichen Wahrnehmung zuvor wegen des propagierten Weges der langfristigen Entwicklung mit selbst ausgebildeten Jugendspielern aus der Region häufig eher positiv betrachtet, gab es zunehmend Kritik von Funktionären anderer Vereine und teilweise auch der Presse. Gleichzeitig trat der Verein in der Öffentlichkeit von nun an hauptsächlich als „1899 Hoffenheim“ auf, weil „Turn- und Sportgemeinschaft“ „zu altbacken“ klänge und sicherlich auch, um vorgeben zu können, dass man doch „Tradition“ habe. Schon durch den Aufstieg in die zweite Liga war ein neues, den Anforderungen des Profifußballs entsprechendes Stadion von Nöten, welches in Sinsheim (Hoffenheim ist ein Ortsteil von Sinsheim) gebaut und natürlich von Dietmar Hopp finanziert wurde. Da er sich seinen Traum von seinem Bundesligaverein schneller verwirklichte als der Stadionbau voranging, musste Hoffenheim in der Hinrunde der ersten Erstligasaison seine Heimspiele in Mannheim austragen.

Seit dem Aufstieg spielt Hoffenheim nun ununterbrochen in der ersten Liga und das mit eher durchwachsenen sportlichen Erfolgen. Ebenfalls seitdem machen auch immer wieder die Proteste und Anfeindungen gegnerischer Fanszenen gegen Hoffenheim und Dietmar Hopp Schlagzeilen. So hat sich vor allem zwischen den Ultras von Borussia Dortmund und Hopp fast schon eine Fehde entwickelt, bei der Hopp regelmäßig auf beleidigende Gesänge und Spruchbänder sowie Darstellungen seines Gesichts im Fadenkreuz mit Anzeigen und Hausverboten reagiert und auch schon mal versucht hat, beleidigende Gesänge des Dortmunder Gästeanhangs im Hoffenheimer Stadion mit Störgeräuschen zu verhindern. Auch Fans anderer Vereine wurden in der Vergangenheit zu Geldstrafen verurteilt, nachdem Dietmar Hopp diese wegen beleidigenden Äußerungen im Stadion angezeigt hatte. Dass ein bisweilen rauer Umgangston seit jeher zum Fußball dazu gehört scheint Hopp genau so wenig zu interessieren wie die legitime Kritik an seiner Vorgehensweise und dem Konstrukt Hoffenheim. Bleibt zu hoffen, dass trotz des schleichenden Gewöhnungseffekts nie eine vollständige Akzeptanz eintritt und sich weiterhin kritisch positioniert wird.