ProFans kommentiert die jüngste Erklärung von DFB und DFL zum Fandialog 

Berlin, den 23. 08. 2018

Nach der Bekanntgabe des Ausstiegs der „Fanzenen Deutschlands“ aus den Gesprächen mit dem DFB und der DFL am vergangenen Dienstag haben die beiden Verbände den Dialog-Abbruch mit blumigen Worten bedauert. Beim näheren Hinsehen erschließt sich freilich aus ebendieser Reaktion der Verbände das ganze Feld des Unverständnisses gegenüber Fans, die wahrlich nichts Unverschämtes begehren. 

Symptomatisch dafür sind die ach so stolzen Fortschritte, die DFB und DFL in ihrer Erklärung anführen:
„…vor dem Hintergrund, dass bei zwei Treffen einige wegweisende Veränderungen angestoßen und im Nachgang durch DFB und DFL umgesetzt beziehungsweise auf den Weg gebracht wurden. Hierzu gehören unter anderem die Aussetzung von Kollektivstrafen, verbunden mit der Hinwendung zur Täterorientierung, das klare Bekenntnis zum Erhalt der Stehplätze, die Erhöhung der Transparenz in der Sportgerichtsbarkeit durch die Veröffentlichung des Leitfadens für den Kontrollausschuss sowie die bereits angelaufene Pilotphase zur einheitlichen Freigabe von Fan-Utensilien bei Spielen der Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga.“(kursiv: Zitate aus der DFB-Erklärung auf www.dfb.de vom 21. 8. 2018)
Dazu seien einige Anmerkungen erlaubt. 


Aussetzung der Kollektivstrafen 

Fraglos ein wichtiger Punkt, der aber doch längst überfällig war! In praktisch allen Staaten unserer Welt, die sich der Freiheit, Demokratie und Menschrechte verschrieben haben, sind Kollektivstrafen geächtet. Sie gelten seit Jahrzehnten als Instrumente autoritärer Despoten. Aber der DFB ist im Jahre 2018 stolz darauf, die Kollektivstrafen – nein, nicht abgeschafft, sondern gerade einmal – ausgesetzt zu haben! Welch eine peinliche Darbietung! 

Stehplätze 

Auch das ist ein Punkt von großer Bedeutung. Aber er kennzeichnet auch genau, was seit vielen Jahren das Problem ist: Wir Fans haben gefälligst schon dafür dankbar zu sein, wenn ausnahmsweise bei dem einen oder anderen Punkt eine Verschlechterung ausbleibt. Nach diesem Muster dürfte der DFB auch mit Stolz darauf verweisen, dass der Fußball weiterhin mit runden Bällen gespielt wird und nicht etwa mit würfelförmigen! 

Strafenkatalog 

Dieses Werk ist ja schon Satire an sich. Aber ernsthaft: Schafft man Transparenz, indem man sich ein hochbürokratisiertes Werk schafft, das keinerlei Ermessensspielraum mehr zulässt? Transparenz bedeutet doch vielmehr, Entscheidungsgründe und Erwägungen offenzulegen. Vor allem aber bedeutet in diesem Fall Transparenz, eine etwaige Zahlungspflicht der Vereine an deren Verschulden an dem jeweiligen Vorfall zu binden – und der Höhe der Zahlung keine astronomischen Fantasiewerte zugrunde zu legen, sondern vielmehr nur den tatsächlich entstandenen finanziellen Schaden. 

Fanutensilien 

Dieses Thema ist keines der letzten paar Monate, sondern es ist schon seit weit mehr als zehn Jahren ständiger Gegenstand des Fandialogs! Und nun schaffen es die Verbände nach so vielen Jahren, ein Pilotprojekt dazu anzuschieben, welches bislang zu keinerlei spürbaren Veränderungen geführt hat. Wir sind sprachlos. Ohne mit der Wimper zu zucken, werden den Vereinen per Lizenzbedingungen bauliche Veränderungen an Stadien wie Sitzplatzkontingente und Rasenheizungen auferlegt, aber eine einheitliche Regelung, welche Fahnen, Doppelhalter oder auch einfach nur Damenhandtaschen ins Stadion mitgebracht werden dürfen, ist derart schwierig zu etablieren?

Montagsspiele 

„Zur Einführung der Montagsspiele bleibt festzuhalten, dass die Vereine der 3. Liga den klaren Wunsch formuliert haben, die Liga wirtschaftlich zu stärken.“

In der Tat ist es enttäuschend, dass Vereine immer wieder der kurzfristigen Begehrlichkeit nachgeben, um dann bald festzustellen, dass sich nichts verbessert hat, weil die Konkurrenz ja ebenfalls mehr Geld erhält. Dass jedoch eine solche Veränderung bekanntgegeben wird, nachdem dies im kurz zuvor stattgefundenen Treffen mit den Fanszenenvertretern in keiner Weise angesprochen wurde, und das, obwohl sich die Fanvertreterinnen in der Arbeitsgruppe Fankulturen ausdrücklich gegen diese Montagstermine ausgesprochen hatten, zeigt in seltener Klarheit, dass von einem Dialog auf Augenhöhe keine Rede sein kann.

Im Kern aber geht es um viel mehr, nämlich darum, was zum Erfolg in diesem unserem Sport führt. Beharrliche Arbeit, Engagement, Teamgeist, aufopferungsvolles Kämpfen auf dem Rasen? Oder nurmehr die Größe des Geldbeutels? Heute sind wir tatsächlich so weit, abschätzen zu können, wie hoch ein Investment sein muss, um sich damit innerhalb von zehn Jahren einen Platz in der Champions League zu erkaufen, und dass es Investoren gibt, die genau das tun. Nein, das ist nicht der Fußball, dem wir Fans unser Herzblut verschrieben haben. Wir finden das einfach nur abstoßend.

Gewalt, Vandalismus und Pyrotechnik

„Dabei werden DFB und DFL unverändert unter anderem für einen Verzicht auf körperliche Gewalt, Vandalismus und Pyrotechnik einstehen.“ 

Welch ein wunderbares Triumvirat der abschreckenden Begrifflichkeit! Diesen Ball können wir dem DFB gern zurückspielen. Wie wäre es damit, dass wir Fans auch weiterhin für einen Verzicht auf Steuerhinterziehung, Korruption und Nationalmannschafts-Teammanagement einstehen? 

Das Thema Pyrotechnik ist alles andere als ein Ruhmesblatt des Fandialogs. Der DFB sollte nicht davon abzulenken versuchen, dass er es war, der vor Jahren die Chance einer breiten Einigung auf einen sicheren und rechtskonformen Einsatz von Pyrotechnik in schofeligster Weise in die Tonne getreten hat – und der bis heute nicht den geringsten Versuch unternommen hat, diesen Fehler zu korrigieren. Statt dessen wird uns immer wieder die Gleichsetzung von Pyrotechnik mit Randale präsentiert. Na dann, in diesem Sinne: Gegen Steuerhinterziehung, Korruption und Teammanagement. 

Bekenntnisse 

„Gerade in diesen Bereichen ist ein klares Bekenntnis der ‚Fanszenen Deutschlands’ eine wichtige Grundlage für einen zielführenden Dialog.“

Machen wir uns nichts vor: Für einen Teil der Ultrà gehört es zu ihrer Auffassung ihrer Jugendkultur, Rivalitäten auch in grenzwertiger Weise auszuleben. Wir bestimmen nicht über die angeschlossenen Gruppen, wir vertreten sie. Und wir vertreten ihr Recht, all ihre Leidenschaft in gesellschaftskonformer Weise auszuleben. ProFans hat über viele Jahre hinweg immer wieder darauf hingewiesen, welche Umstände geeignet sind, Grenzverletzungen einzudämmen, und welche Maßnahmen derjenigen, denen die Macht des Hausrechts und des staatlichen Gewaltmonopols in die Hände gelegt ist, tendenziell dazu führen, dass sich die Konflikte häufen. Doch diejenigen, die die Regeln bestimmen, verhalten sich verantwortungslos, wenn sie entgegen aller Ratschläge von Fanvertreterinnen, Sozialpädagogen, Wissenschaftlerinnen und Bürgerrechtlern immer wieder ihre eigenen, vermeintlich besseren, Konzepte durchsetzen und damit längerfristig die Konflikte nicht entspannen, sondern verschärfen. 

Pauschalkritik

„Pauschale Beschuldigungen gegen die Verbände oder handelnde Personen sind nicht zielführend und werden vom DFB und von der DFL nachdrücklich zurückgewiesen.“ 

Leider sind Fans nicht weniger pauschalen Schuldzuweisungen ausgesetzt als die Verbandsführungen. Ja, es ist nicht klar adressiert, wenn wir erkennen, dass die Verbände offenbar immer wieder in alte Denkmuster verfallen, anstatt das seinerzeit von Sportfreund Grindel reklamierte Umdenken ernst zu nehmen. Wir wissen nicht, wer genau beim DFB und bei der DFL der Idee verfallen ist, den Fandialog auch nach dem aktuellen Rückzug des Aktionsbündnisses der aktivsten Fangruppen weiterzuführen, als sei nichts geschehen. Ohne die Fanszenen und auch ohne ProFans und ohne das BAFF. Derweil die Fans ohnmächtig ihren Sport kaputtgehen sehen, feiert der DFB Strategieveranstaltungen, bei denen es um alles andere geht, aber nicht um die Aussöhnung mit den Fans, die nebenbei übrigens einen guten Teil der Mitgliederbasis ausmachen. 

Wenn die trotzigen Dialogabsichten von DFB und DFL ein Fingerzeig darauf sind, dass man sich dann eben genehmere Gesprächspartner suchen wird, sei davor nachdrücklich gewarnt: So wird man nicht einen einzigen Konflikt lösen können. Das kann man nur tun, indem man Vertrauen, Verlässlichkeit und Wertschätzung nicht nur behauptet, sondern beweist. Davon sind der DFB und die DFL momentan meilenweit entfernt.

ProFans, im August 2018

Quelle: www.profans.de