Fußball ist die Sportart in
Deutschland überhaupt, weder im Breiten- noch im Profisport kommt man an
ihm vorbei. Eine zich millionenschwere Industrie verkauft heute sehr
selbstbewusst das Produkt Bundesliga in alle Welt, die Zahl der Aktiven
ist ebenso wie die Zahl der Zuschauer so groß, dass es für einen Einzug
in den Bundestag locker reichen würde, Fußball ist ein Riese, die
Bundesliga ist ein Riese, der DFB ist ein Riese. Und natürlich hat
dieser Leviathan sich Regeln gegeben, einmal die Regeln des Sportes
Fußball - Aus, Abseits, Tor, Handspiel, Gelbe Karte, Rote Karte - und
einmal die des Verbandes, der 25.000 Vereine in sich vereint. Und
natürlich hat der DFB seine eigene Gerichtsbarkeit, ansonsten wäre das
Aufstellen von Regeln wohl ziemlich sinnlos.
Und dieses DFB-Gericht
entscheidet nun, wenn Vereine oder Spieler gegen Regeln verstoßen haben
oder wenn es Knatsch gibt, zum Beispiel weil eine Mannschaft gerne ein
Wiederholungsspiel wegen eines Phantomtors hätte. So weit, so gut. Die
Vereine haften nicht nur für das Verhalten ihrer Angestellten, seien es
Spieler oder Funktionäre, sondern auch für ihre Fans und ihren
Ordnungsdienst - nämlich dann, wenn es "Ärger" im Stadion gibt. Der
Heimverein ist immer für die Sicherheit im Stadion zuständig und jeder
Verein wird für das Fehlverhalten seiner Fans zur Verantwortung gezogen.
Die Standardentscheidung lautet Geldstrafe, wenn es das irgendwann
nicht mehr bringt, kommen Pokalausschluss, Geisterspiele oder sonst
irgendwas hinzu.
Der pädagogische Sinn des Ganzen ist leicht zu
erfassen: Die Vereine werden, gemessen an dem was sie haben (und demnach
was ihnen weh tut) und dem was vorgefallen ist, bestraft, um das, was
zum Fehlverhalten geführt hat, zu ändern. Also, wenn ständig irgendwer
in meinem Stadion zündelt, krieg ich als Verein eine Geldstrafe vom DFB
und irgendwann merke ich, dass das Einbauen eines besseren Kamerasystems
und die Schulung der Ordner billiger wäre, als immer die Strafen zu
bezahlen, verbessere meine Infrastruktur, das Zündeln ist schwieriger
geworden und kommt seltener vor. Ist ja kein Zufall, dass in gewissen
Stadien fast jeder Gastverein einen abbrennt und in anderen so gut wie
niemand. Dies ist eine Vertragsstrafe, die der Verein gezwungen ist zu
zahlen, denn wenn er den Vertrag nicht unterschreibt, spielt er nicht
mit.
So weit, immer noch so halbwegs gut (noch besser gefällt uns Milan
Sasics Konzept "Lasst sie knallen", aber das nur am Rande). Dann gibt es
aber noch Gerichtsurteile (von echten Gerichten), die bestätigen, dass
der Verursacher für eine Geldstrafe - der Zündler, der Flitzer, der
Schmeißer - durch den Verein in Regress genommen werden kann. Durch den
Kauf meiner Eintrittskarte bestätige ich, dass ich mich an die
Stadionordnung halte, wenn ich das nicht tue und damit dem Verein
Schaden zufüge, muss ich für den Schaden auch gerade stehen. Klingt
schon weit weniger logisch als alles zuvor Gelesene: Zum einen ist der
Schaden durch das DFB-Sportsgericht eine Folge des Vertrages zwischen
den Vereinen und dem DFB und der DFL und kein Schaden, der wirklich
materiell entstanden ist. Wenn ich beim Zünden eine Werbebande in Brand
setze, muss ich die zahlen, logisch, wenn ich meinem Nachbarn ein Loch
in die neue Winterjacke brenne, werde ich ihm eine neue kaufen müssen
und wenn ich jemanden verletze, hat er ein Anrecht auf Schmerzensgeld.
In diesen Fällen wäre ein Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe ein
anständiges Gericht festlegt, auf rechtstaatlicher Basis.
Im
DFB-Sportsgericht sitzt Rudi Bommer, das geht nun wirklich nicht. Diese
juristische Entscheidung ist schwierig nachzuvollziehen, da der zu
zahlenden Strafe ja gar nicht der entstandenen Schaden zugrunde liegt,
sondern die wirtschaftliche Potenz des Vereins. Man stelle sich vor, der
Fußballboom geht weiter und irgendwann generiert so ein
Bundesligaverein alleine an internationalen Fernsehgeldern mal das
zehnfache. Und du läufst besoffen über das Spielfeld, findest du gerade
lustig, und der Verein schickt dir eine Rechnung über 500.000 Euro. Dass
die Strafen des Vereins, die sich durch einen solchen Vertrag
legitimieren, an Privatpersonen weitergeleitet werden können, ist
moralisch schwer nachvollziehbar, da die Strafe eben aus dem Grund so
hoch ist, weil sie einem millionenschweren Unternehmen ein bisschen weh
tun soll. Eine Privatperson ruiniert sie. Und der pädagogische Sinn ist
auch weg. Am Ende muss ich als Verein gar nicht mehr für die
"Sicherheit" im Stadion sorgen, ich muss nur jemanden erwischen, dem ich
die Kohle abschwatzen kann.
Warum dieser Text? Auch der MSV ist hin und
wieder von Geldstrafen betroffen, seit Jahren. Zum ernstzunehmenden
Umdenken hat das nie geführt. Es gibt Vereine, die haben das Interesse
(eines Teils) ihrer Fans an Pyrotechnik ernst genommen, mit ihnen
diskutiert, gegenüber den Verbänden argumentiert, Geldstrafen nach
sauber durchgeführten Aktionen juristisch angegriffen, ein paar Vereine
haben sich als Unterstützer in der Kampagne 'Pyrotechnik legalisieren'
eintragen lassen und der ein oder andere hat sich den ganzen Hokuspokus
gespart, unter der Hand Absprachen mit den Fans getroffen, was wann wie
oft passieren kann und sich damit arrangiert, den Betrag von x-tausend
Euro an Strafen ins Budget aufzunehmen und unter "Fanarbeit kostet halt
Geld" verbucht. Der MSV hat sich diese inhaltliche Diskussion (bewusst)
gespart und nun einen Handlungswandel vollzogen, den er genau so wenig
begründet wie seine vorherige "mich geht das hier alles nichts an mit
dieser Pyrotechnik"-Position. Stolz (Überschrift: "MSV Erfolg nach
DFB-Strafen", na wenn man sonst nix mehr zu feiern hat) berichtet der
MSV auf seiner Homepage, dass er dem Flitzer vom Paderborn-Pokalspiel
1000 Euro abgenommen hat. Applaus, Applaus. In Düsseldorf zünden 20
Leute, die Geldstrafe dürfen sich die zwei Erwischten teilen, jeder 2000
Euro. Können die Erwischten ja fast froh sein, dass der MSV finanziell
am Boden liegt, sonst wären die Strafen wohl deutlich höher ausgefallen.
Und jetzt gibt der MSV die Geldstrafen halt weiter.
Eine inhaltliche
Diskussion braucht man wahrscheinlich immer noch nicht, eigentlich sogar
noch weniger, da man einen Teil der Strafen ja nun von den Fans
wiederbekommt. Und so muss man sich mit dem Thema 'Pyrotechnik' auch
nicht weiter beschäftigen. Der MSV hat einen Vertrag unterschrieben, in
welchem er akzeptiert, dass er durch die DFB-Sportgerichtsbarkeit
bestraft werden kann, wenn sein Spieltagskonzept Mängel aufweist. Das
tut es. Statt sie zu schließen, gibt der MSV die Strafen weiter an
Privatpersonen, als wäre er ein Richter, der die angemessene Bestrafung
für ein "Fehlverhalten" zu bestimmen hat. Wir finden das armselig. Der
MSV wahrscheinlich ganz praktisch. Applaus, Applaus...