Zum letzten Heimspiel gab es für uns ein kleines Jubiläum zu feiern: 100
Ausgaben der "Worte der Kohorte" sind seitdem an die Menschen der
Nordkurve und vor allem innerhalb des Stimmungsblocks verteilt worden.
Anlässlich dieses Jubiläums haben wir uns überlegt, auch hier auf diesem
Blog vermehrt Texte zu veröffentlichen, die diverse Thematiken
behandeln, mit denen wir uns auseinandersetzen oder die einfach dazu
dienen, unseren Senf abzulassen.
Der erste Text befasst sich nun
mit der in Duisburg am Innenhafen sitzenden „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ oder auch ZIS und ihrem Jahresbericht, der
regelmäßig für breit gefächertes Kopfschütteln sorgt. Die ZIS setzt sich
das Ziel, seit nun schon 20 Jahren für mehr Sicherheit bei
Sportveranstaltungen zu sorgen. Über die Koordination und Durchführung
eines Informationsaustausches soll sichergestellt werden, dass die
zuständigen Polizeidienststellen alle nötigen polizeilichen
Informationen besitzt, um „mit angemessenem Personaleinsatz die
Sicherheit der Zuschauer in und um Veranstaltungsorte wie Stadien oder
Plätze sowie auf den An- und Abreisewegen gewährleisten zu können.“ (http://www.polizei-nrw.de) Ebenfalls bringt die ZIS ihre Erkenntnisse in
bundesweite und internationale Gremien ein, um so Einfluss auf
Polizeitaktiken und die Sicherheitsvorkehrungen bei Sportveranstaltungen
zu nehmen.
Was genau die ZIS unter diesen Formulierungen versteht,
werden wir im Folgenden etwas näher beleuchten. So unterhält die ZIS zum
Beispiel die Datei Gewalttäter Sport. Hier werden die persönlichen
Daten von Fans gespeichert und aufbewahrt, die im Rahmen eines
Fußballspiels auffällig geworden sind. Betrachtet man den Namen dieser
Datei, geht man normalerweise davon aus, dass unter der Begrifflichkeit
„auffällig werden“ gewalttätige Auseinandersetzungen oder zumindest
verbotene Aktivitäten verstanden werden. Dem ist aber nicht so. In der
Datei Gewalttäter Sport kann ein Fan schon landen, wenn er einfach in
eine Personalienkontrolle während eines Fußballspiels gerät, ohne dass
er tatsächlich etwas gemacht hat, was ihm hätte angelastet werden
können. Der betroffene Fan erfährt dabei auch nicht, ob die eigenen
Daten in diese Datei eingespeist worden sind. Es ist dabei völlig
uninteressant für die ZIS, ob ein Freispruch erfolgt oder ob ein
Verfahren überhaupt erst eröffnet wird. Die Datei Gewalttäter Sport
dient also vielmehr einer Anhäufung von Daten, die der Polizei dann auch
noch diverse Möglichkeiten gibt, ohne eine Verurteilung oder
vorhergegangene Anschuldigung Sanktionen zu verhängen. Wenn es den
Betroffenen dann auch nicht bewusst ist, in dieser Datei zu stehen, kann
es zu einigen überraschend unangenehmen Situationen kommen.
Gefährdenansprachen vor Länderspielen oder brisanten Begegnungen im
Ligaalltag sind möglich, sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz.
Ebenfalls kann ein Ausreiseverbot erteilt werden, so dass ein Mensch
kurz vor der Reise in ein anderes Land gesagt bekommt, dass ihm dies
untersagt wird. Kommt es nicht direkt zu einem Ausreiseverbot, kann es
ebenfalls passieren, dass einige sehr unangenehme oder lästige Fragen
bzgl. der eigenen Daten in dieser Datei aufkommen können. Des Weiteren
können spontan Betretungsverbote für das Stadionumfeld bei einzelnen
Spielen ausgesprochen werden, was auch wir in unserer Gruppe schon
leidvoll erfahren mussten, als Mitglieder, obwohl diese kein
Stadionverbot auferlegt bekommen hatten, trotzdem das Heimspiel gegen
den 1. FC Köln nicht besuchen durften geschweige denn das
Stadiongelänge, also einschließlich der Parkplätze und der Fläche um den
Fanprojektcontainer betreten durften. Besteht also die Möglichkeit, in
dieser Datei zu stehen, empfehlen wir, im Zweifel einen Anwalt damit zu
beauftragen, einen Brief zur Abfrage und mit der Aufforderung zur
Löschung der Daten abzusenden.
Besondere Aufmerksamkeit bekam die
ZIS vor allem, als sie im Rahmen der Sicherheitsdebatte im deutschen
Fußball ihren Jahresbericht veröffentlichte, um damit zu belegen, dass
die Zahl an Verletzten und die Zahl der Festnahme beim Fußball eine
steigende Tendenz aufweisen und damit äußerst problematisch seien. Schon
damals wurde an diesen Zahlen kritisiert, dass es einerseits keinerlei
Aufschlüsselung der Zahlen gibt. Es konnte nicht nachvollzogen werden,
wie die Zahl der Verletzten entstanden ist, ob ein angeknackster Knöchel
beim Erklimmen der Stadiontreppen auch dazu zählt und wie viele der
Verletzten durch den Einsatz der Polizeihundertschaften entstanden.
Einsatz von Pfefferspray in großen Menschenmassen, wie sie beim Fußball
vorzufinden sind, lassen die Zahl der Verletzten nämlich rapide
ansteigen. Die Vermutung, dass solche Verletzungen auch in die Statistik
eingeflossen sind, hinterlassen einen äußerst faden Beigeschmack, da
Polizeieinsätze so eine Statistik beeinflussen, die als Argument für
härtere Polizeimaßnahmen herangezogen wird. Andererseits wurde an den
Zahlen kritisiert, dass sie nicht in Relation mit der Anzahl an Menschen
betrachtet wurden, die im Jahr Fußballspiele in Deutschland besuchen,
was ein statistisch völlig anderes Bild gezeichnet hätte. Der Vergleich
mit dem Oktoberfest und den dortigen Straftaten und Verletzten wurde
damals ja immer sehr gerne bedient.
Diese Kritikpunkte wurden seitens
der ZIS für ihren letzten Bericht der Saison 12/13 wieder nicht
berücksichtigt und in Interviews äußerte sich die Zentrale
Informationsstelle Sport auch dahingehend, dass eine Aufschlüsselung der
Verletzten zum Beispiel nicht relevant für die Erhebung der Daten
seien. Würde ein Wissenschaftler so eine Aussage treffen, der einfach
ein generelles Verletzungsrisiko bei Fußballspielen aufzeigen wollen
würde, wäre dies nachvollziehbar. Allerdings dient der Jahresbericht der
ZIS auf Grund ihrer anfangs erwähnten Zielsetzung als
Empfehlungsgrundlage für die zuständigen Polizeidienststellen und damit
auch als Argumentationsgrundlage, weswegen die Werte in dieser Form
absolut unangebracht und sinnlos sind. Doch schauen wir uns die Zahlen
des aktuellen Berichts einmal genauer an, da dieser medial nicht eine
solche Öffentlichkeit bekam wie im Jahr zuvor im Rahmen des
Sicherheitspapiers: Die Zahl der Verletzten ist in der Saison 12/13 um
31% zurück gegangen, die Zahl der Strafverfahren um 20%. Auffällig ist
dann aber, dass die Zahl der Festnahmen nur um 6% gesunken ist, was die
Vermutung nahe legt, dass die eingesetzten Polizisten recht schnell zum
Mittel der Festnahme greifen. Dabei stehen 1,75 Millionen Arbeitsstunden
für Polizisten zu Buche, die auch immer wieder von den
Polizeigewerkschaften aufgegriffen werden, um von einer enormen
Belastung zu sprechen, der nur durch härtere Maßnahmen entgegnet werden
kann. Dass diese enorme Anzahl an Stunden, die übrigens fast doppelt so
hoch ist wie noch vor 10 Jahren, auch mit der Polizeitaktik
zusammenhängen könnte, die in einigen Fällen alles andere als
erfolgreich funktionierte, wird nicht erwähnt. Ein Beispiel für diese
These wäre allerdings die riesige Anzahl an Polizisten beim
letztjährigen Revierderby, die trotzdem keinen Einfluss darauf hatten,
dass die Ultras Gelsenkirchen ohne jegliche Polizeibegleitung und
Zwischenfälle bis zum Stadion laufen konnte. Weitere Recherchen würden
sicherlich ähnliche Beispiele aufzeigen, in denen mit einer geringeren
Anzahl an Polizisten ähnliche oder sogar weitaus humanere Lösungen für
Situationen hätten gefunden werden können.
Neben diesem öffentlichen
Bericht erstellt die ZIS ebenfalls zu jedem Spieltag eine Analyse, was
passieren könnte, welche Fans wie anreisen und wie die Vorgeschichte der
jeweiligen Fanszenen darauf Einfluss haben könnte. Ein solcher
Analysebericht ist in der letzten Saison ebenfalls an die Öffentlichkeit
geraten. Dort war zu sehen, dass sogar die Anreisewege von Gruppen, die
die ZIS ausnahmslos der Kategorie A, also den friedfertigen Fans
zuordnete, detailliert aufgezeigt wurden. Busunternehmen werden dafür
abtelefoniert, um Informationen über Routen zu erhalten und die
Nummernschilder in Erfahrung zu bringen, wodurch eine systematische
Überwachung der anreisenden Fans möglich ist, selbst wenn diese sogar
von der ZIS als harmlos eingestuft werden. Die Anzahl der Personen und
sogar bevorzugte Kleidungsstile sind dort ebenfalls vermerkt.
Datenschutzbestimmungen und Persönlichkeitsrechte sind seitens der ZIS
also relativ freizügig ausgelegt. Die Überschrift des Jahresberichts der
ZIS „bürgerorientiert – professionell – rechtsstaatlich“ erscheint
dabei recht amüsant. Es ist definitiv fraglich, ob all die Informationen
und Berichte der ZIS wirklich nötig sind, um das eingangs erklärte Ziel
der ZIS zu erfüllen. Der Eindruck, dass hier einfach eine riesige Masse
an Daten über Fußballfans und Gruppen angehäuft werden soll, liegt doch
ziemlich nahe.