Donnerstag, 5. März 2020

Spruchbanderklärung: SV Meppen


Spruchbanderklärung Meppen

Ein turbulentes Wochenende liegt hinter dem deutschen Fußball. Ein turbulentes Wochenende, das mal wieder zeigt, wie sehr die Verwendung der Begriffe „anständig“ und „scheinheilig“ doch von der Perspektive des jeweiligen Betrachters abhängig ist. 22 Millionäre solidarisieren sich auf dem Platz in Hoffenheim mit einem von ihnen und danach wird von ihnen und ihren Chefs mit dem Finger gezeigt, auf das „Pack aus den Kurven“, die „hässliche Fratze des Fußballs“ und die „hirnlosen Chaoten“. Nichts Neues also. Die feine Gesellschaft echauffiert sich über den Pöbel, weil dieser eine Sprache spricht, die sich nicht geziemt. Die feine Gesellschaft, die in der Vergangenheit bei rassistischen Vorfällen nur halbgare Floskeln zum Besten gab. Die feine Gesellschaft, die von korrupten Deals mit fragwürdigen Unternehmen profitiert; solche Unternehmen, die sich nicht so sehr um Menschenrechte scheren. Die feine Gesellschaft, die in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt hat oder zumindest kritiklos hingenommen hat, dass der Fußball Schritt für Schritt seine Glaubwürdigkeit verliert, dass der Glaube an einen fairen sportlichen Wettbewerb fast gestorben ist. Jetzt erheben sie sich, denn es geht gegen einen von ihnen.

Vorab: Dietmar Hopp geht uns in dieser Diskussion am Arsch vorbei! Wir sehen sein Wirken im Fußball kritisch. Die Gründe dafür haben wir in früheren Spruchbanderklärungen mehrfach benannt. Weiter wollen wir uns nicht zu seiner Person äußern. Uns geht es vielmehr um das Wirken des DFB und den Diskurs über das vergangene Wochenende in der Öffentlichkeit. Es gibt eine Menge Protestformen über die sich sicherlich streiten lässt. Bei Fadenkreuzen sind wir raus. Doch hat der vergangene Spieltag gezeigt, dass nicht unbedingt ein Unterschied gemacht wird zwischen Spruchbändern mit beleidigenden Inhalten und solchen mit versachlichter Kritik. Die direkte Reaktion des DFB auf unsere Äußerung beim Gastspiel in Meppen zeigt dies. Ein Spruchband, welches durch uns im Vorfeld offiziell angemeldet und durch die entsprechenden Stellen genehmigt worden war, sorgte dennoch für eine Spielunterbrechung und eine Durchsage des Stadionsprechers. Verbunden mit dieser Durchsage und der im Vorfeld entfachten Hysterie kam es auch zu Unmutsbekundungen anderer MSV-Fans und vereinzelten Versuchen die Präsentation des Banners zu behindern. Wir bedauern, dass es zu Unstimmigkeiten gekommen ist. Durch eine bessere Informationspolitik unsererseits hätte diese Situation vielleicht verhindert werden können. Dennoch rufen wir alle MSV-Fans auf sich nicht von der hysterischen Berichterstattung beeinflussen zu lassen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung dürfen wir uns nicht von Außenstehenden kaputt machen lassen. Wer noch Gesprächsbedarf hat kann am Spieltag an den bekannten Orten gerne auf unsere Leute zukommen.

Wenn also von offizieller Seite - wie in diesem Fall - kein Unterschied mehr gemacht wird, ist es da verwunderlich, dass Fanszenen, die über einen langen Erfahrungsschatz im Umgang mit dem Anprangern von Missständen und vor allem dem Nicht-gehört-werden verfügen zu einer „unfeineren“ Sprache greifen?
Nachdem harsche Kritik laut geworden ist, rudert der DFB nun zurück. Man muss sich fragen, ob dieses vorschnelle, scheinbar unklare und unprofessionelle Vorgehen nicht eher an einen Provinzverein erinnert als an den großen und glorreichen DFB.

Warum entschieden wir uns ein Spruchband zu Vorfällen auf der großen Bühne des Fußballs zu machen, während unser Verein auf dem wirtschaftlichen Abstellgleis des Profigeschäfts ums Überleben kämpft? Durch die Hintertür ist der DFB-Kontrollausschuss mit der Bestrafung der Dortmunder Fanszene für ihr Verhalten in Hoffenheim zur Praxis der Kollektivstrafe zurückgekehrt. Die BVB-Fans lieferten aufgrund ihres jahrelangen Konflikts mit Dietmar Hopp eine vermeintlich gute Rechtfertigung, um mit dem eigenen Versprechen zu brechen und doch wieder zu dieser unsäglichen Praxis zurückzukehren. Wer kann sich schon sicher sein, dass bei der nächsten vermeintlichen Grenzüberschreitung nicht schon wieder das Instrument der Kollektivstrafe ausgepackt wird? Aus unserer Sicht wurde die Tür damit wieder aufgestoßen oder wie sagte es Karl-Heinz Rummenigge so schön? Dieses Vorgehen stellt eine Zäsur dar. Und in ein paar Wochen haben wir den nächsten Vorfall in dem es eine Fanszene aber auch wirklich übertrieben hat und so stehen wir irgendwann an einem Punkt, an dem die Zuschauerteilausschlüsse wieder zum Alltag geworden sind. In diesem Sinne: Wehret den Anfängen!

Für viele Fanszenen bildete dieser Umstand die Grundlage für die Plakate, an denen sich nun die öffentliche Empörung entzündet. Man könnte es eine neue Dimension der Empörung nennen. Das irritierende daran ist, dass es in der näheren Vergangenheit im Fußballgeschäft einige Vorfälle gegeben hat, in denen ein öffentlicher Aufschrei und eine Solidaritätsbekundung dieses Ausmaßes durchaus angebracht gewesen wären. Dass dies erst jetzt passiert, wenn ein reicher, weißer Mann und guter Freund von Rummenigge und Co. betroffen ist, lässt diese Empörung ziemlich scheinheilig wirken.

KOHORTE ULTRAS März 2020